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Instabile Zeiten - Ein Paradigmenwechsel ist angesagt!

 

 

Der Begriff ‚Strategie‘ umfasst im engeren Sinn die Wahl der Mittel zur Erreichung bestimmter Ziele, im weiteren Sinn auch die Zielfestlegung (Rolf Eschenbach, Hermann Kunesch, Strategische Konzepte, Stuttgart, 1994). Im Rahmen der Strategieberatung werden Handlungsalternativen (unterschiedliche Mittel und Ziele) eines Wirtschaftsunternehmens nach spieltheoretischen Überlegungen durch Unternehmensberater modelliert und sodann eine dominante Strategie, d.h. Ziel- und Mittelauswahl, bestimmt, die gegenüber Wettbewerbern Vorteile erwarten lässt.


Zu trennen sind dabei auf kürzere Zeiträume ausgelegte Strategien, die sich auf einen bestehenden Handlungsrahmen (Marktordnung, Produktionsstrukturen, Nachfragemerkmale, etc.) beziehen und andere, die einen längerfristigen Zeithorizont und zugleich veränderliche Handlungsbedingungen unterstellen. 


Nach dem zweiten Weltkrieg wurden weltweit unterschiedliche Wirtschaftsordnungen erprobt. In der westlichen Welt die Marktwirtschaft, in der östlichen Welt die Planwirtschaft. Das letztere Modell zeigte immer größere Nachteile und wurde schließlich aufgegeben. Seit 1990 wird über die Gestaltung der Marktwirtschaft wieder offen diskutiert, geht es doch um die bedeutende Frage, wie eine Marktordnung  zu mehr Wohlstand beitragen kann.


Grundlegende Gedanken wurden dazu in jüngerer Zeit bereits in den 1950 Jahren von Walter Eucken, einem führenden deutschen Wirtschaftsphilosophen und Ökonomen, entwickelt und von Ludwig Erhard in Deutschland politisch realisiert: Das Modell der ‚Sozial-Marktwirtschaft‘ entstand. Der sich parallel immer weiter entwickelnde globale Markt wurde jedoch zunehmend von den USA und deren Wirtschaftsphilosophie beherrscht, die auf einem weit gesteckten Ordnungsrahmen der Teilmärkte, insb. des Arbeitsmarktes, aber auch der Realgüter- und vor allem der Finanzgütermärkte beruht.


Das amerikanische Denken fand auch durch amerikanische Beratungsunternehmen Einzug in die deutsche Wirtschaft: Prägung durch die US-Wirtschaftsphilosophie und Strategieentscheidungen, die auf kürzere Zeiträume ausgelegt waren. Im Zuge eines fortschreitenden Willens zur europäischen Integration, der Formierung der Europäischen Union und der Einrichtung einer europäischen Währungsordnung, wurde dieser Ansatz in Frage gestellt (Michel Albert, Capitalism against Capitalism, London, 1993). Spätestens seit 2007, als sich die gewaltigste Finanzkrise aller Zeiten abzuzeichnen begann, ist die Bereitschaft zur kritischen Prüfung bestehender Überzeugungen erkennbar. Diese Überzeugungen, die bspw. mit der Aufgabe des ‚Bretton-Woods-Systems‘ und der Erfindung der ‚Portfolio-Optimierung‘ durch Markowitz verknüpft sind, werden nun stärker hinterfragt und führen zu neuen Antworten. Auch in den USA wird anerkannt, dass den regulierenden Prinzipien, um mit Walter Eucken zu sprechen, wohl größere Bedeutung bei der Beschreibung einer wohlstandsfördernden Marktordnung zukommen soll.


In der Folge muss sich auch der Gegenstand der Strategieberatung verändern und dem längerfristigen Zeitbezug mehr Beachtung schenken. Dies gilt vor allem für den Finanzmarkt, der in den vergangenen Jahrzehnten einen immer größeren Anteil der Wertschöpfung, gegenüber der Realwirtschaft, beanspruchte. Die dem Finanzmarkt zugesprochene Stabilitätshypothese, die sich im Vertrauen auf die Berechenbarkeit von Unwägbarkeiten, seien es Kreditrisiken oder Beteiligungsgewinne, manifestierte und in die Planungsüberlegungen der Wirtschaftsunternehmen einging, zeigte sich als fragil, vor allem bei der Lenkung langfristiger Kapitalströme.


PDF herunterladen: P4_Gedanken zur weiteren Integration Europas (2015)