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Bancassurance

 

 

Das Kapital einer Gesellschaft bedarf der Verteilung, also der Zuordnung zu wirtschaftlichen Projekten, die dieses Kapital rentierlich einzusetzen vermögen. Rat ist gefragt, der sich auf die Übersicht der Wirtschaft begründet, die Angebotslage einzuschätzen vermag und die Nachfrage erspüren kann, der wie Produktionsmethoden kennt und das Verteilungssystem, mit dem Güter an ihren Bestimmungsort gelangen. Anbieter und Nachfrager von Kapital sind zusammenzuführen. Der Reiz, etwas besser zu machen und daraus eine Rendite zu erzielen, treibt Anleger wie Nachfrager an. Sie brauchen Ratgeber und Kapitalvermittler, die Kreditbeziehungen strukturieren oder den Transfer von Eigenkapital übernehmen. Je mehr Kapital vorhanden ist, desto mehr wurde diese Funktion notwendig und aus Banken, die als Geldwechsler und Wechselhändler begonnen hatten, wurden Kreditinstitute und Investmentgesellschaften, zusammen genommen Universalbanken. Daß sie auch Geld schufen, wenn es sich anbot, war lange umstritten, setzte sich aber dennoch durch und war tolerabel, solange dieses Geld eine Realwertbindung hatte. Dann aber wurde die Büchse der Pandora geöffnet und das System wurde explosiv: man sprach dann von Systemrelevanz.


Mit steigendem Kapitalbestand erwuchs auch der Bedarf des Schutzes vor natürlichen Gefahren. Man brauchte Kapazität zur kollektiven Risikoübernahme und Versicherungsunternehmen entstanden. Je größer die Risikokumulation in Versicherungsbilanzen, desto mehr Kapitalbedarf hatte auch ein Versicherungsunternehmen. Es mußte möglichst sicher angelegt werden, denn man hatte ja schon genug Risiken in den Büchern, also lieh man viel Kapital dem Staat.


Der Staat hatte seine Freude mit dem Finanzsektor. Klemmte die Wirtschaft, so mußte man die Banken animieren, mehr Kredite auszulegen, d.h. mehr Geld zu drucken, damit Wachstum entstehen konnte. So flossen die erhofften Steuern. Zwickte die Steuer, weil sie weniger brachte als die Garantien, die der Staat, besser die ihn führenden Politiker, dem Wahlvolk gegenüber zugesagt hatten, dann mußte man eben Schulden aufnehmen und holte sich Geld bei den Versicherungsunternehmen.


Die Finanzinstitutionen hatten in einem solchen Umfeld ein gutes Auskommen, strebten nach Macht und "Marktführerschaft" und so schien es auch der richtige Weg zu sein, Konglomerate zu bilden, die sowohl Kredit-wie Versicherungsgeschäft betrieben. Man sah im Bancassurance genannten Geschäftsmodell ein zukunftsweisendes Konzept. So sollte das individuelle Kapital unter Kontrolle gebracht werden. Und die Industrialisierung der Finanzindustrie sollte beginnen.


Der Übermut holte die handelnden Akteure ein, denn die Risiken waren weitaus weniger beherrschbar, in vielen Fällen nicht ansatzweise kalkulierbar. Daß die Industrie mit zu viel Geld aufgeblasen wurde, und das funktionierte nur, weil Geld in der neuen Ära kostenlos zu produzieren war, wurde erst viel später klar, als es zu spät war. Nur wenige hatten auf die bedrohlichen Entwicklungen hingewiesen. Und wer dies dennoch tat, dem wurde kein Gehör geschenkt. Die Party lief eben zu gut. Auch die Deutsche Bundesbank machte rechtzeitig auf die explosive Entwicklung in den USA aufmerksam, aber wer wollte das schon hören? Die weitreichenden Pläne platzten und Bancassurance verschwand wieder von der Tagesordnung, weil die Finanzinstitutionen sich zu retten suchten und sich auf die Risiken zu konzentrieren begannen, die ihre Kernkompetenz ausmachen. Aber nicht nur das. Der Rückbau des Schuldenkartenhauses mußte angegangen werden. Die Staatsschulden in den Bilanzen stellten sich als "unbeweglich" heraus, auch weil die Bereitschaft zur politischen Umkehr schwer fällt. Welcher Politiker will schon der erste sein, der die schlechte Botschaft verkündet. Also mußte man Finanzinstitutionen retten, hatten sie doch bisher gute Dienste geleistet. Man rettete, auch weil man davon ausging, daß nach einer vorübergehenden Phase sich die alte Kumpanei wieder einstellen werde.


Der Staat braucht finanzielle Institutionen, um die bisher abgedeckten Aufgaben als Bindeglied der Individuen zu übernehmen, damit der Wohlstand gemehrt wird und dazu Kapital bereitgestellt und überlegt eingesetzt wird. Aber wie ist das gesellschaftliche Risikoportfolio zweckmäßig - durch den privaten Sektor - zu verwalten? Wie können die Risiken institutionell verteilt werden, so daß Kumulationen begrenzt bleiben und die Risikotragfähigkeit der Institutionen gesichert ist? Nicht mehr Industrialisierung ist das Stichwort, das die Finanzwirtschaft treibt, sondern Risikokompetenz. Und das bedeutet, daß ein Streben nach immer größeren Geschäftseinheiten, die als wirtschaftlich überlegen galten, nun erst einmal keine Priorität zukommen kann. Es geht nicht mehr um noch größere Produktionseinheiten, Skaleneffekte und globale Marktpräsenz, sondern um die Identifikation profitabler Marktsegmente und die Verwertung von Geschäftsbereichen, die nur grenzwertigen Ertrag beisteuern.


Die Gesellschaft ist besser beraten, wenn sie über mehr spezialisierte Boutiquen verfügt, die ihre Risiken übersehen und mit Vorsicht ihr Geschäft betreiben, deren Ertrag aus der Risikoübernahme kommt, und nicht aus der Straffung der Produktionsabläufe. Die Verteilung der Risiken ist ein Prinzip, das bei der Vermögensanlage als Diversifikation von eben diesen Finanzinstitutionen gut geheißen wird. Eben diese Prinzip muß nun auch auf die Strukturen der Finanzwirtschaft konsequent angewandt werden. Wie man diese Risiken trennt und was dann wieder in Holdings zusammengefügt werden kann, das ist eine andere Frage. Jedenfalls braucht es auch mehr Risikokapital, wenn der sich laufend erneuernde Kapitalstock im Wettbewerb durch Innovation bewähren soll.


Bancassurance muß daher inhaltlich neu bestimmt werden: Es geht darum, die Prinzipien der Versicherung besser in das Bankgeschäft zu integrieren, und die Prinzipien des Kredits in die der  Versicherungsunternehmen.

 

PDF herunterladen: P3_Too Many Greeks